17. und 18. Jahrhundert
Die Konzepte des Rheumas, der Hysterie, der Melancholie und der Acedia wurden vermehrt aufgegriffen durch einzelne Persönlichkeiten europaweit – v.A. die Briten schienen hier den Vorsprung zu haben.
Das 17. und das 18. Jahrhundert galten als Grundlage für die Faszination über krankhafte Ermüdungszustände der viktorianischen Epoche.
Dr. Thomas Sydenham
Der britische Arzt aus London Thomas Sydenham ist in der Medizin vor allem bekannt aufgrund seiner Erstbeschreibung der postinfektiösen Epilepsie («Chorea Sydenham» bzw. «Chorea sanctii Vitii»). Tatsächlich partizipierte er aber in einer ganzen Reihe von klinischen Entdeckungen. Er beschrieb unter anderem Podagra (Gicht), fiebrige Infekte, «Chlorosis» (Blutarmut infolge Eisenmangels), Behandlungen der Malaria mit Chinin, Kühlungskur bei Pocken sowie Einsatz von Opium zur Schmerzreduktion. Er erhielt somit öfters den Spitznamen des «Britischen Hippocrates».
Dr. Thomas Sydenham schrieb extensiv zum Thema von "Mutter-Aufruhr" (Mother's Fits) und Hysterie, insgesamt gebar das 17. Jahrundert aber viele weitere, ähnliche Schreiben - z.B. die von Thomas Willis oder George Cheyne. Die Inhalte solcher Arbeiten waren auch zur Leitlinie in Diagnose und Therapie der Hysterie in den nachfolgenden Jahrzehnten geworden, nicht selten zum Verhängnis der Kranken...
Interessanterweise, obwohl viele damaligen Autoren doch von einem körperlichen Leiden ausgingen, entwickelte sich zufolge solcher Texte eine zunehmende Überzeugung, dass Hysterie keine «echte» Erkrankung sei, sondern eher eine Art tückisches Chamäleon, welches den Arzt bei seiner Arbeit nur täuscht. Eine gewaltige Rolle in den später ungünstigen Entwicklungen kann dem vermehrten Auftreten der «Hysterie» unter Frauen zugeschrieben werden – weibliche Leiden wurden leider seit Anbeginn der Zeit tendenziell weniger ernst oder als viel mysteriöser wahrgenommen. Dass derartige Problematiken und Einstellungen bei ME/CFS auch heutzutage bestehen können sowohl die Experten als auch die Betroffenen bestätigen.
"Die britische Erkrankung"
Im frühen 18. Jahrhundert wurden in England, Irland und Schottland mehrere Ausbrüche von verschiedenen fiebrigen Zuständen registriert. Der damalige Wissens- und Dokumentationsstand erlaubte keine klare Unterteilung zwischen diversen möglichen Ursachen, aufgrund deren Anhäufung sprach man aber zunehmend und zusammenfassend über «Febricula», auch bekannt als das kleine / nervöse / hysterische oder enterische Fieber. Da dieser Zustand fast ausschliesslich auf den Britischen Inseln verzeichnet wurde, sprach man damals häufig über "Die Britische Erkrankung" (The English Malady).
Die womöglich detaillierteste Beschreibungen der "Febricula" stammten von der Abhandlung durch Sir Richard Manningham aus dem Jahr 1746. Dieses Werk wird heutzutage zwar eher als Referenz zum Phänomen des Wochenbettfiebers hervorgebracht (Infektion/Krankheit der Mutter kurz nach der Geburt ihres Kindes), ein aufmerksamer Leser findet aber Paralellen zu der heutigen ME/CFS-Situation - dieser Zustand tritt auch vermehrt nach Geburten auf und zeigt viele Ähnlichkeiten mit manchen von Manningham berichteten Manifestationsvarianten der "Febricula". Sir Manningham erkannte auch womöglich als erster die Rolle der (Bett-)Ruhe in den ersten Wochen der Krankheitsentwicklung sowie die schädigenden Aspekte des erzwungenen "Aufraffens" oder der damals gängigen Praxis des Aderlasses.
Es handelte sich dabei um auffällig britisches Phänomen, da die anderen Länder keine derartigen Probleme zu dieser Zeit berichteten. [1] So sprachen einige über die «Englische Erkrankung» oder die «Britischen Schweissausbrüchen» («English Malady», «British Sweats»). Zu weiteren, hin und wieder erwähnten, britischen Besonderheiten gehörten auch «das Strother’sche Fieber» und «das purpurne Fieber», bei welchen es zu wiederkehrenden Gelbsuchtanfällen und/oder blau-roten Hautflecken kam. [2] Die ersten, wirklich detaillierteren und systematischen Beschreibungen des «kleinen Fiebers» wurden im Jahr 1746 durch Sir Richard Manningham aus London, England, geliefert.[3]
QUELLEN:
[1] “A History of Epidemics in Britain. Volume 2.”Charles Creighton.
Cambridge University Press.
[2] “The Tragedy of Childbed Fever”Irvine Loudo
Published by Oxford in 2000
[3] “The symptoms, causes, and cure of the febricula: commonly called the nervous or hysteric fever”Sir Richard Manningham
London, printed for T. Osborne 1746